Sonntag, 18. November 1917

 

Kundenliste für Fleischbezug. Die Freie Bonner Fleischer-Innung bittet die Einwohnerschaft, bei der Eintragung in die Kundenliste nicht nur sämtliche Fleischkarten bis zum 20. März 1918, sondern auch den Umschlag zu den Lebensmittelkarten mitzubringen, da dies zur ordnungsmäßigen Ausstellung der Kundenlisten unbedingt erforderlich ist und keine Eintragung ohne Umschlag geschehen kann und darf.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

  

Anzeige im General-Anzeiger vom 18. November 1917Die Strafkammer verhandelte am Freitag gegen den 61jährigen Arbeiter Wilhelm Leh. aus Beuel, welcher angeklagt war, daß er erdichtete und entstellte Tatsachen behauptet habe, die geeignet gewesen seien, die dortige Ortsbehörde in ungerechtfertigter Weise herabzusetzen und verdächtig zu machen. Angeklagter Leh. hatte in einer am 30. Juni im Gasthof „Rheinlust“ einberufenen Versammlung zur Gründung eines örtlichen Kriegskonsumentenausschusses bei der allgemeinen Besprechung der dortigen Ernährungsverhältnisse die schlechte und ihm ungerecht erschienene Austeilung der Kartoffeln in Beuel gerügt, die nach seiner Beobachtung den Anschein gehabt habe, als hätten die reichen und besser gestellten Leute im Oktober auch die besseren Kartoffeln erhalten, während mit der dann im November angekommenen schlechteren Sorte die ärmeren und weniger gutsituierten Leute sich hätten zufrieden geben müssen. Er erblicke darin ein Unrecht und wisse auch einen Falll, daß einem Beamten weit über das zulässige Maß Kartoffeln im Herbst 1916 geliefert worden wären. Auf Grund dieser Aussprache hatte Herr Bürgermeister Breuer gegen Leh. Strafantrag gestellt wegen Beleidigung, übler Nachrede und Verleumdung. Der Angeklagte machte geltend, daß ihm hierbei jedwede Absicht der üblen Nachrede und Herabsetzung ferngelegen und er auf Grund der vom Versammlungsleiter geforderten freien Aussprache über die örtlichen Ernährungsverhältnisse sich zu diesen Angaben verpflichtet gehalten habe. Daß seine gemachte Aeußerung in der Bürgerschaft von Beuel allgemein für wahr und richtig gehalten worden seien, dafür hätte der allseitige Beifall der Versammlungsteilnehmer ihm Gewißheit gegeben. Unter den angeführten Beispielen, daß einem Beamten eine ungebührlich große Kartoffelmenge angefahren worden sei, darunter verstehe er den Kreissekretär. Es sei doch ganz auffallend, daß gegen den Sprecher Gr. aus Beuel, welcher in dieser Versammlung in gleicher Weise Ausstellungen vorgebracht und unter anderem behauptet habe, daß aus dem Nahrungsdepot ganze Körbe voll Oel weggeschleppt worden seien, nicht eine Anklage erhoben worden wäre. Der als Zeuge vernommene Bürgermeister Breuer gibt zu, daß die im Oktober und November bezogenen Kartoffelanfuhren von ungleicher Güte könnten gewesen sein. Er habe das Zufahren an die Häuser straßenweise angeordnet. Von einer Begünstigung irgendwelcher Art sei ihm nichts bekannt. Zeuge Kreissekretär R. gibt zu, daß ihm damals vom Kreise aus für seine Familie von 7 Personen 23 Zentner Kartoffeln zugewiesen worden seien. – Die Staatsanwaltschaft stellte selbst in Abrede, daß den bisher unbescholtenen Angeklagten die böswillige Absicht, einer behördlichen Herabsetzung wider besseres Wissen geleitet habe könne; in wohlverständlichem Zorn über den herrschenden Ernährungszustand habe er wie viele Leute seinem Unmute mal Ausdruck gegeben, allerdings ohne sich bis ins einzelste zu vergewissern, ob sich auch alles so verhielte. Er beantragte daher gegen ihn eine Geldstrafe von 30 Mark. Die Verteidigung wies darauf hin, daß hier in diesem Falle eine Kritik der behördlichen Ausführung in der Natur der Sache gelegen und der Angeklagte „in Wahrung berechtigter Interessen“ gehandelt habe. Dieser letzteren Ausführung schloß sich das Gericht an und erkannte demgemäß auf Freisprechung.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Katholischer Meisterverein. In der Mitgliederversammlung am verflossenen Mittwoch hielt der Präses des Vereins Herr Kaplan Rütters einen Vortrag über die Notwendigkeit zur Gründung eines katholischen Lehrlingsheims für Bonn. Dem Handwerk werde wohl, so führte der Redner aus, bei dem Mangel an Lehrlingen, besonders in Städten mit Kriegsindustrie nichts anderes übrig bleiben, als sich den Nachwuchs auf dem Lande und ländlichen Bezirken zu sichern. Dann müsse aber bei den großen sittlichen Gefahren gerade in den Städten für die auswärtigen Lehrlinge eine intensivere Fürsorge ausgeübt werden. Dazu scheine nur ein konfessionelles Lehrlingsheim geeignet, bei dem es sich wesentlich um erzieherische Aufgaben handele. Träger eines konfessionellen Lehrlingsheims könne nur eine konfessionelle Organisation von Meistern sein, so daß zur Lösung der vorstehenden Aufgaben kath. Meistervereine nötig seien. In finanzieller Hinsicht sei die Lehrlingsheimfrage am leichtesten und mit geringem Risiko zu lösen, wenn das Lehrlingsheim im kath. Gesellenhause untergebracht werde. Ueber die Art und Weise der Unterbringung von kath. Lehrlingen im Gesellenhause und den zukünftigen Ausbau des Lehrlingsheims machte der Redner noch nähere Ausführungen. Nach einer sehr anregend verlaufenen Aussprache wurde einstimmig beschlossen, daß im Anschluß an das kath. Gesellenhaus ein kath. Lehrlingsheim für Bonn errichtet werde. Für die Kriegszeit soll die Unterbringung kath. Lehrlinge im Gesellenhause in dem vom Herrn Redner angedeuteten Rahmen durchgeführt werden. Den Mitgliedern des Meistervereins werden Vergünstigungen bei der Unterbringung ihrer Lehrlinge zugebilligt. Mit dem Lehrlingsheim, das mit Ostern 1918 eröffnet werden soll, sollen für die sich etwa meldenden Lehrlinge eine Berufsberatung und ein Stellennachweis eingerichtet werden. Es ist nur zu wünschen, daß diese edlen und für das Handwerk so überaus begrüßenswerten Bestrebungen des Vorstandes des Meistervereins sowohl von den Mitgliedern des Vereins als auch von den anderen kath. Handwerksmeistern tatkräftig unterstützt werden.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)