Samstag, 17. November 1917

 

Deutsche Vaterlandspartei. Die vom Werbeausschuß der Ortsgruppe Bonn und Umgebung für den morgigen Sonntag in Aussicht genommene Versammlung in Bonn fällt wegen der großen Versammlung des rheinischen Landesvereins im Kölner Gürzenich aus.

Arndt-Eiche in Eisen. Seitdem das Bonner Kriegswahrzeichen vom Münsterplatz in die behaglichen Räume des städtischen Bekleidungsamtes in der Gangolfstraße übergesiedelt ist, scheint es dort ein stilles und beschauliches Dasein zu führen: man sieht und hört in der Oeffentlichkeit nicht viel mehr von ihm. Tatsächlich aber gedenken doch noch manche Mitbürger der immer noch zeitgemäßen Zwecke und Ziele der Arndt-Eiche. So sagte vor kurzem ein hiesiger Fabrikant eine Gabe von 500 Mark zu. Eine aus Anlaß unserer großen Erfolge in Italien veranstaltete Sammlung für die Arndt-Eiche, die der Lange Tisch im Bonner Bürgerverein jüngst vornahm, ergab einen Betrag von über 100 Mark; zwei Adlerfedern sollen den großen Sieg der deutsch-österreichischen Waffen an der Arndt-Eiche verewigen! Mögen die Bürger, Gesellschaften und Stammtische in unserer Stadt die Ereignisse unserer großen Zeit durch Stiftung von Adlerfedern oder anderer Zierrate an der Arndt-Eiche verewigen und so durch Unterstützung der Witwen und Waisen von Bonner Kriegern einen Teil unserer großen Dankesschuld abtragen.

Bekleidungsamt. Die Prüfung der Bedürftigkeit und die Ausstellung der Bescheinigungen für entlassene Krieger zur Erlangung von Kleidungsstücken und Schuhen aus den Beständen der städtischen Altkleiderstelle erfolgt nicht mehr durch die Polizeibezirke, sondern durch die Kriegswohlfahrtspflege, Franziskanerstr. 8. Die Vordrucke werden auf dem Bekleidungsamt, Gangolfstraße 2, ausgehändigt.
   Nach den neuen Richtlinien der Reichsbekleidungsstelle für die Abschätzung der Altkleider werden wesentlich höhere Preise als bisher bezahlt. Es ist daher zu empfehlen, alle entbehrlichen Gegenstände hervorzusuchen und an die Altkleiderstelle, Martinstraße 18, abzuliefern. Hierdurch wird die minderbemittelte Bevölkerung in die Lage versetzt, sich mit warmer Kleidung zu versehen.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

      

Stadtverordneten-Versammlung vom Freitag, den 16. November 1917.
[…] Die Kriegshilfekasse der Stadt, die zur Wiederherstellung der selbständigen Existenz Handwerkern und kleinern Geschäftsleuten Darlehen geben soll, ist dem Ausschuß der städtischen Kriegshilfe zugewiesen worden. Die Versammlung genehmigte gestern eine Geschäftsordnung nach die Kasse zu arbeiten hat. […]
   Die Anträge zur Befreiung von Fortbildungsschülern vom Schulbesuch oder zur vollständigen Schließung der Anstalt, die in den letzten Sitzungen der Stadtverordneten zur Beratung standen, haben neuerdings zu einer Vereinbarung von Freunden und Gegnern der Anträge geführt. Dennoch haben die Stadtverordneten Hartmann, Chrysant und Vins den Antrag gestellt, die Schüler der Oberstufe zunächst bis zum Schluß des Schuljahres vollständig vom Unterricht zu befreien. Mit Ausnahme der Kaufmanns-, Kellner- und Kochlehrlinge werden alle Gewerbe davon berührt, auch die Laufburschen. Der Schulvorstand ist bereit, dem Antrage stattzugeben, dem sich dann auch die Stadtverordneten in ihrer großen Mehrheit anschlossen, nachdem ein Antrag Kalt, auch die Kaufmannslehrlinge mit frei zu geben, keine Mehrheit gefunden. […]
   Für die Weihnachtsgaben an die zum Kriegsdienst einberufenen städtischen Beamten und Arbeiter fordert die Verwaltung 4500 Mk. Berücksichtigt werden Leute bis zum Feldwebel, die in der Front oder im besetzten Gebiet stehen. […]
   Der Stadtverordnete Krantz richtete nach Erledigung der Tagesordnung an die Stadtverwaltung die Anfrage, wie es mit der diesjährigen Kartoffelversorgung der Bürger stehe. In der letzten Zeit dringen beunruhigende Nachrichten in die Oeffentlichkeit, die ihn zu der Fragestellung veranlaßten. Beigeordneter Piehl erwiderte, daß das Bild unserer Kartoffelversorgung ein gutes sei – 100.000 Zentner lagerten bereits in den städtischen Mieten und Kellern: 30.000 Zentner hätte Private von der Stadt eingelagert und mit 4000 Zentnern seien die Selbstversorger des Stadtbezirkes auf längere Monate versorgt. Mit diesen 134.000 Zentnern sei der Kartoffelbedarf bei 7 Pfund wöchentlich vollauf gedeckt. Auch die Brotzulage in Gestalt von anderhalb Pfund Kartoffeln wöchentlich an jeden Bewohner sei bis zum 1. April gesichert. Die Familien hätten sich durch Hamstern noch gute Vorräte darüber hinaus beschafft. Er gebe die Versicherung, daß die Keller diesmal gut gefüllt seien. Das beste Barometer hierfür seien die Kriegsküchen, die bei 5000 Teilnehmern stehen blieben. Geboten erscheine es, die Wochenmenge von 7 Pfund zu erhöhen, aber alle Vorstellungen von uns, die vom Regierungspräsidenten ganz energisch unterstützt wurden, hätten bis jetzt noch keinen Erfolg gehabt. An Gründen, die die Reichskartoffelstelle in ihrer ablehnenden Haltung vielleicht beeinflußten, gab Redner interessante Hinweise auf den Wagenmangel und dann den an, daß die Ernteschätzung vom 20. Oktober einen Fehlbetrag von 200 Millionen Zentnern ergeben habe, gegen die Voreinschätzung von Anfang Oktober. Auch die daraufhin angeordnete neue Einschätzung der vorhandenen Kartoffeln werde noch einen Rückgang auf dem Papier zeigen. Wenn es auch unmöglich sei, daß diese großen Kartoffelmengen einfach verschwunden, so mahne es doch die Reichsstelle zu vorsichtiger Verteilung. Ueber den Winter hinaus sei nicht gut mit einer Erhöhung der Kartoffelration zu rechnen. Blieben wir noch länger von Frost verschont, so könnte die Zuweisung sich vielleicht bessern. Aber immerhin habe man das beruhigende Gefühl, daß wir bis zum 1. April versorgt seien. […]

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

Godesberg, 15. Nov. Herr Bürgermeister Zander hielt gestern nachmittag im Rathaussaale eine Sitzung mit einer größeren Kommission von Geistlichen, Lehrern, Vereinsvorständen und Bürgern ab, um über die demnächstige Veranstaltung einer Goldankaufswoche hier in Godesberg während der Zeit vom Sonntag den 9. bis Sonntag den 16. Dezember zu beraten. Bis jetzt habe unsere örtliche Goldankaufstelle – so führte der Versammlungsvorsitzende aus – sehr gut gearbeitet und einen Umsatz von nahezu 40.000 Mk. erzielt, aber immerhin stehe das Rheinland in der Hergabe von Gold anderen ärmeren Provinzen gegenüber noch zurück.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und Fern.“)

Die Strafkammer verhandelte gestern gegen einen Arbeiter aus Beuel wegen Beleidigung der dortigen Behörde. Der Arbeiter hatte in einer Versammlung des Konsumenten-Ausschusses behauptet, in Beuel bekämen die Reichen die guten und die Armen die schlechten Kartoffeln. Das Gericht stellte fest, die Aeußerung sei unwahr; der Angeklagte habe aber nicht wider besseres Wissen gesprochen, ferner habe er in Wahrung berechtigter Interessen gehandelt. Es wurde deshalb auf Freisprechung erkannt.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Von Nah und Fern“)