Dienstag, 26. Juni 1917

      

Anzeige im General-Anzeiger vom 26. Juni 1917Goldsammlung durch die Banken. Mit Rücksicht auf die Wichtigkeit und Notwendigkeit der Goldschmuck- und Juwelensammlung für die glückliche Beendigung des Krieges und die Ernährung unseres Volkes haben die sämtlichen hiesigen Banken sich in uneigennütziger Weise zur Mitarbeit bereit erklärt, daß sie ab 1. Juli während der Geschäftsstunden Goldschmucksachen, Perlen und Juwelen für die hiesige Goldankaufstelle entgegen nehmen. Sie erteilen über die Ablieferungen vorläufige Quittungen und händigen nach Prüfung und Abrechnung der Goldsachen durch die Goldankaufstelle den baren Gegenwert sowie die eisernen Gedenkmünzen aus.
   
Die Goldankaufstelle hat ferne eiserne Armreifen beschafft. Jede 10. Spenderin erhält einen solchen als Erinnerungszeichen.

Kohleversorgung der gewerblichen Betriebe. Der Reichskommissar für Kohlenverteilung erläßt eine Bekanntmachung, durch die für alle gewerblichen Verbraucher von Kohle, Koks und Briketts mit einem monatlichen Verbrauch von zehn Zentnern und darüber Meldepflicht eingeführt wird. Die erste Meldung muß in der Zeit vom 1. bis 5. Juli erfolgen. Die Anmeldekarten sind bei der örtlichen Kohlenstelle zu haben, diese erteilt auch Auskünfte.

Der Bezugsschein als Erzieher. Wie alle Einrichtungen im staatlichen wie im wirtschaftlichen Leben, übt auch das Bezugsscheinverfahren Wirkungen verschiedener Natur. Nicht nur daß der Bezugsschein in volkswirtschaftlicher Hinsicht eine Aufgabe von außerordentlicher Wichtigkeit zu erfüllen hat, er ist auch als Erziehungsmittel von nicht zu unterschätzender Bedeutung. In Friedenszeiten hat es eine ganze Menge Leute gegeben – namentlich unter der weiblichen Bevölkerung -, die es sich zur Gewohnheit machten, bei ihren Einkäufen jeder Laune zu folgen. Sie kauften, was ihnen gerade gefiel, ohne sich zu fragen, ob ein zwingendes Bedürfnis vorliege. Das ist heute anders geworden. Jeder ist verpflichtet, vor Anforderung eines Bezugsscheines sich selbst die Frage vorzulegen, ob der beabsichtigte Einkauf in der Tat notwendig sei. Denn man weiß, daß man in anderen Fällen von den Beamten der Bezugsscheinstellen, die nach genau festgelegten Vorschriften handeln, unweigerlich zurückgewiesen wird. Gerade die Schwierigkeiten jedoch, mit denen wir heute im wirtschaftlichen Leben zu kämpfen haben, lehren uns, daß einmal erworbene Besitztum doppelt zu schätzen. Sie mehren auch die Freude an dem Besitz und veranlassen uns, die Gegenstände, die zu unserem täglichen Bedarf gehören, in erster Linie unsere Kleidungsstücke, mit besonderer Sorgfalt zu behandeln. Wir erkennen heute, daß Vieles in unserem Leben, was uns früher selbstverständlich erschien, durchaus nicht ohne weiteres als selbstverständlich zu betrachten ist, und diese Erkenntnis erhöht unser Verständnis für den Wert der Dinge, die zu unserem täglichen Leben gehören. Leute, die früher mit ihren Anzügen nachlässig umzugehen pflegten, stellen heute in dieser Beziehung vielfach Muster der Ordnung und Sauberkeit dar. So regelt der Bezugsschein nicht nur die Verhältnisse auf dem Textilwarenmarkt, sondern übt auch erzieherische Wirkungen, die nach dem Kriege nicht schwinden dürften.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)

       

Schuhsohlen mit Metallüberzug. Die Mittel, durch die man Schuhsohlen haltbarer zu machen sucht – aufgesetzte Flecke aus Leder oder Metall – erfüllen zwar ihren Zweck, die Lebensdauer der Sohlen zu verlängern. Allein es haften ihnen zwei Uebelstände an: Sie sind beim Gehen unbequem und wirken verderblich auf Fußböden, Linoleumbeläge und Teppiche. M. U. Schoop, der bekannte Erfinder des „Metallspritzverfahrens“, hat sie nun durch etwas erheblich Besseres zu ersetzen verstanden. Nach dem Metallspritzverfahren können Sohlen aus Leder, Holz oder Pappe mit einem sehr fest haftenden Ueberzuge aus Aluminium oder Eisen versehen werden; sie sind dann natürlich sehr viel haltbarer als sonst, dazu auch wasserdicht, ohne daß die Behandlung ihre Biegsamkeit und Geschmeidigkeit verringerte. Auch das Gewicht wird nicht nennenswert erhöht, und da ihre Oberfläche glatt bleibt, werden Fußböden und Bodenbeläge von ihnen nicht stärker angegriffen als von gewöhnlichen Ledersohlen. [...] DieSchoopschen Metallspritzeinrichtungen sind in letzter Zeit so weit verbessert worden, daß ihre Handhabung in der Schuhmacherwerkstatt kaum noch auf Schwierigkeiten stoßen dürfte.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

       

Zur Frage der Erhöhung der Milchpreise ist in letzter Zeit viel geschrieben und gesprochen worden, das meiste freilich vertritt den Standpunkt des Städters und zeigt völlige Unkenntnisse der landwirtschaftlichen Verhältnisse. Es ist viel die Rede gewesen von der Notwendigkeit besseren Verstehens zwischen Stadt und Land. Wie nötig das ist, zeigt auch die in den Städten herrschende Ansicht über die Milchpreise. Aufklärung zu schaffen bezwecken nachstehende Ausführungen: Nicht die Preise der Futtermittel allein sind die Ursache der Erhöhung der Milchpreise. Beschränkung der Futtermittel, besonders des Kraftfutters und Erhöhung der Preise vermindern selbstverständlich die Erzeugung und steigern die Preise ganz abgesehen von den Mehrkosten der Wartung und Pflege. Der Ausfall an Milch und Menge wird aber durch die höheren Preise dem Landwirt ersetzt. In ganz anderem Maße wie durch die Preise der Futtermittel werden aber die Milchpreise durch die Viehpreise beeinflußt. Für das der gesamten Bevölkerung zu Schlachtzwecken von den Landwirten zur Verfügung zu stellende Rindvieh sind Höchstpreise festgesetzt. Welche Preise jedoch der Landwirt für eine Milchkuh zu zahlen hat, ist in keiner Weise beschränkt. In dieser Beziehung ist der Landwirt allein vom freien Handel abhängig. Seit Jahr und Tag liegen die Verhältnisse so, daß der Landwirt zwar vom Viehhändler Milchkühe zu unbeschränkten Preisen kaufen darf, diese Kühe aber, wenn sie abgemolken sind, zu festgesetzten Höchstpreisen als Schlachtvieh verkaufen muß. Der vom Milchwirtschaft treibenden Landwirt zu tragende Unterschied zwischen An- und Verkauf beträgt seit Jahr und Tag mindestens 500 Mark für die Kuh. Daß diese 500 Mark neben Futterkosten, Wartung usw. aus einer Kuh herauszumelken sind, dürfte manchem bei seiner Meinung über die Erhöhung der Milchpreise völlig entgangen sein. Tatsache ist, daß zum Beispiel reine Abmelkwirtschaften bei einem Literpreise von 0,36 Mark 0,15 – 0,17 Mark zusetzen. Es dürfte sich vielleicht empfehlen, daß der Stadtsäckel oder besser gesagt die milchverbrauchenden Gemeinden dazu beitragen sollen, zumal der ärmeren Bevölkerung Milch zu möglichst billigen Preisen zu verschaffen. Dem Notschrei nach billiger Milch sei da vom Standpunkt des Landwirts als Echo entgegengesetzt, „verschafft uns Landwirten Milchvieh zu annehmbaren Preisen“.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)