Samstag, 5. Mai 1917

      

Anzeige in der Bonner Zeitung vom 5. Mai 1917E. M. Arndt in Eisen wendet sich in diesen Tagen wiederum an den bewährten Wohltätigkeitssinn unserer Bürgerschaft. Wie bei fast allen Kriegsdenkmälern, ist auch bei der Arndt-Eiche in Eisen ein gewisser Stillstand in dem Betriebe eingetreten, zumal der Reiz der Neuheit der eisernen Kriegswahrzeichen nicht mehr waltet. Aus diesem Grunde wird zurzeit erwogen, den Denkmalsbetrieb zu schließen bezw. das Wahrzeichen an einen anderen Ort, etwa in einem Museum, unterzubringen. Ehe dies jedoch geschieht, soll nach Möglichkeit versucht werden, die noch nicht beschriebenen Schilde, Plaketten, Adlerfedern usw. zu verwerten, damit das Denkmal, das von Fachleuten als eines der schönsten Kriegswahrzeichen in Deutschland bezeichnet wird, vorher seine künstlerische Vollendung im eisernen Schmucke erhält. Die bisherigen Einnahmen betragen nahezu 90.000 Mark. Es sollte doch in einer Stadt wie Bonn nicht schwer fallen dürfen, eine Mindesteinnahme von 100.000 Mark zu erreichen! Das Wahrzeichen mit seinen Adlerfedern, Eichenblättern usw. eignet sich in sinniger und vornehmer Weise dazu, die Namen der Stifter, Vereine, oder gefallener Verwandten zur Erinnerung an die große Zeit an usnerem Kriegerdenkmal zu verewigen. Jede Auskunft wird bereitwilligst von der Geschäftsstelle der Arndt-Eiche in Eisen, Münsterplatz (Fernsprecher 2112) erteilt.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

       

Anzeige im General-Anzeiger vom 5. Mai 1917Neues Operettentheater. Wie bereits mitgeteilt wurde, eröffnet am heutigen Samstag Herr Direktor Adalbert Steffter, ehem. Kgl. Preuß. Schauspieler und Spielleiter der Königlichen Schauspiele zu Wiesbaden, seine Direktionstätigkeit mit Aufführung der Operette „Das Dreimädelhaus“.

Das Städtische Bekleidungsamt hatte die Kaufleute der Web-, Wirk- und Strickwarenzweige gestern abend zu einer Versammlung in den Goldenen Stern eingeladen. In der Versammlung wurden die neuen Richtlinien und Bekanntmachungen der Reichsbekleidungsstelle eingehend besprochen. Von den Fragen, die für die weitere Bevölkerung von Interesse sind, möchten wir folgendes erwähnen: Die Verordnungen der Reichsbekleidungsstelle sehen eine Fürsorge nicht nur für die Kriegszeit, sondern auch für die erste Zeit nach dem Kriege vor. In einer Verordnung ist festgesetzt, wie viele Bekleidungsstücke für jede Person vorhanden sein dürfen. Es kommt für die Folge also nicht darauf an, ob man schon auf Bezugsscheine Kleidungsstücke bezogen hat, sondern welche Kleidungsstücke man besitzt. Zu diesem Zweck müssen eingehende Angaben bei der Bekleidungsstelle gemacht werden. Ein Unterschied zwischen Sommer- und Winterkleidung wird nicht mehr gemacht. Die Damenmode soll durch eine Stoffmaßliste auf das Notwendigste beschränkt werden. Die Kaufleute sind an diese Liste bei Abgabe ihrer Bekleidungsstücke gebunden. Auch Konfektions- und Maßgeschäfte, sowie Schneider dürfen nicht mehr verbrauchen wie vorgesehen ist. Schnittmuster, nach denen ein größerer Verbrauch wie in der Stoffmaßliste vorgesehen ist, notwendig ist, dürfen nicht mehr in den Handel gebracht werden. – Da von verschiedenen Schneidern und Schneiderinnen das Einkaufsbuch in mangelhafter Weise geführt worden ist, wird für die nächste Zeit eine neue Bestandsaufnahme der vorhandenen Stoffe geplant. [...]

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

Godesberg, 3. Mai. Die Kur- und Badeverwaltung der Gemeinde Godesberg hat die Erhebung von Kurtaxen, welche in der letztjährigen Badesaison vorübergehend aufgehoben worden war, für dieses Jahr wieder aufgenommen. Hiernach ist jeder Fremde, der während der Kurzeit vom 1. Mai bis 30. September länger als fünf Tage (den Tag der Ankunft mitgerechnet) in Godesberg verweilt, als Kurgast angesehen und ist spätestens am fünften Tage nach seiner Ankunft zur Lösung einer Kurtaxkarte verpflichtet. Der Preis einer Kurtaxkarte für die ganze Zeit des Aufenthaltes beträgt für eine Person 9 M., für jedes weitere Familienmitglied 3 Mark. Gäste, die innerhalb einer Woche wieder abreisen, erhalten die Hälfte der gezahlten Kurtaxe gegen Rückgabe der Kurkarten zurückerstattet. Vom 15. September ab wird nur die halbe Kurtaxe erhoben. Bei nachweislich unbemittelten Personen kann auf Ansuchen die Taxe ermäßigt oder auch von der Erhebung derselben ganz Abstand genommen werden. Aerzte für ihre Person, Kinder unter zehn Jahren und niedere Dienstboten sind von der Zahlung einer Kurtaxe befreit.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und Fern.“)

      

Unsere wildwachsenden Gemüse haben vorgestern nachmittag im Speisesaal der Universitäts-Kriegsküche Herr Professor Küster und Frau Dr. Küster noch einmal zahlreichen Besuchern vorgeführt, um dadurch die Hausfrauen anzuregen, die vielen in der Natur vorhandenen wertvollen und schmackhaften Nahrungsmittel nicht ungenutzt verkommen zu lassen. Am mühelosesten ist jetzt die Brennessel zu sammeln, die selbst mitten in der Stadt auf unbebauten Grundstücken, an Zäunen und Mauern, sonst an Böschungen und Gräben massenhaft wächst und trotz ihres vorzüglichen Geschmackes noch immer sehr wenig gesucht wird. Auch die übrigen vorgeführten Wildgemüse, Löwenzahn, Giersch, wilder Hopfen, Schafgarbe usw. sind zum Teil jetzt, zu andern Teil in einigen Tagen schon reichlich genug vorhanden, um über die Knappheit an gezogenem Gemüse hinwegzuhelfen.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)

      

Kinderpflegerinnen. Die Schwestern Margareta und Elsa Käpper hatten sich vor der hiesigen Strafkammer wegen schwerer Mißhandlung der ihnen anvertrauten Kinder zu verantworten. Sie hatten im Laufe des Krieges auf Hohen Eich ein „Kinderheim“ errichtet, in dem Kinder, deren Väter im Felde standen und deren Mütter tagsüber auswärts arbeiten mußten, verpflegt und erzogen werden sollten. Aufgenommen wurden Kinder im Alter von einigen Monaten bis zu fünf Jahren. Nach den Zeugenaussagen fanden die armen Geschöpfe auf Hohen Eich aber weder Pflege noch Erziehung. Die Vorsteherin, Margarete Käpper, „regierte“ mit der Hundepeitsche. Kinder, die sich beschmutzt hatten, wurden ausgepeitscht, an den Beinen gehalten und mit dem Kopf in kaltes Wasser getaucht. Die Hundepeitsche scheint der Anfang und das Ende aller Erziehungsweisheit dieser Kinder„pflegerin“ gewesen zu sein. Sie legte auch Kinder über die Tischkante und schlug sie mit der Hundepeitsche auf das entblößte Gesäß. Kinder bis zu fünf Jahren! Morgens hielt sie ihr Strafgericht über alle Kinder, die das Bett genäßt hatten. Säuglinge von sechs Monaten blieben nicht verschont, wenn sie nach Ansicht der Vorsteherin unsauber waren. Kinder mußten Erbrochenes wieder verzehren… Die Feder sträubt sich, alle die Widerlichkeiten und Grausamkeiten wiederzugeben, die zeugeneidlich festgestellt wurden. In der ganzen Stadt herrscht nun eine Stimme der Empörung über ein solches „Kinderheim“, zu dessen Unterhalt auch freiwillige Gaben – über neunundzwanzigtausend Mark – beigesteuert worden sind. Das Urteil wider diese „Kinderpflegerin“ lautete auf neunhundert Mark Geldstrafe, gegen ihre Schwester, die sich an diesen Mißhandlungen mehr oder minder freiwillig beteiligt, auf dreihundert Mark. Der Staatsanwalt hatte gegen die Hauptangeklagte ein Jahr Gefängnis beantragt. In der Urteilsbegründung wird gesagt, es habe sich um eine lebensgefährdende, aber nicht um eine grausame Behandlung im Sinne des Gesetzes gehandelt. Die Staatsanwaltschaft hat Berufung gegen das Urteil eingelegt, das in der ganzen Stadt berechtigtes Aufsehen erregt hat. Der schlichte Laienverstand sieht eben doch nackte Grausamkeiten, wo der Jurist vielleicht noch ein Mäntelchen umzuhängen vermag. [...] Gerade weil mit dem Heim dem Vaterlande gedient werden sollte, hätte die Person, die das allgemeine Vertrauen so schändlich mißbrauchte, nach allgemeiner Ansicht eine verschärfte Strafe verdient gehabt. Derartige Ansichten sind für den Berufsrichter aber nicht maßgebend. Der urteilt nur nach dem Buchstaben des Gesetzes. Warten wir ab, wie die zweite Instanz urteilen wird.
   Im übrigen eignen sich junge, unerprobte Lehrerinnen nach unserer Ansicht schlecht zur Leitung eines derartigen Kinderheims. Warum steht hier nicht eine Frau an leitender Stelle, die Mutter ist? Mütter haben eine ganz andere Art, so junge Geschöpfe zu regieren, auch, wo es sein muß, zu strafen. Hundepeitschen sind verpönt in Häusern, wo die mütterliche Liebe herrscht. „Ein weibliches Wesen, das noch nicht geboren hat, kann“, wie Hermann Stehr in seinem (soeben in der Neuen Rundschau erscheinenden) Roman „Der Heiligenhof“ anmerkt, „kein Lehramt versehen, weil erst die Mutterschaft ihre Säfte reif, süß und voll macht zu diesem göttlich-mütterlichen Geschäft. Sie ist ein Unterrichtsapparat, nicht mehr.“ Wenn dieses Urteil im allgemeinen auch zu scharf sein sollte, so trifft es doch immer zu in Fällen, wo von der Erzieherin mehr verlangt wird, als den Kindern mehr oder minder totes Wissen und Gedächtniskram einzuprägen.

(Volksmund, Rubrik „Bonner Angelegenheiten“)