Freitag, 16. März 1917

     

Anzeige im General-Anzeiger vom 16. März 1917Deutschlands Kriegslasten und seine wirtschaftlichen Quellen. Der gestrige Vortrag des Bankdirektors Steinberg über diese Aufgabe war außerordentlich zahlreich besucht. Der Vortragende führte etwa aus: Der Krieg hat uns erst zu vollem Bewusstsein gebracht, welche gewaltigen Kräfte im deutschen Volke schlummerten. Diese Kräfte werden uns unzweifelhaft befähigen, in Zukunft auch die finanziellen Lasten, die der Krieg mit sich bringt, zu tragen. Das wird namentlich dann gelingen, wenn die vorhandenen Kraftquellen und Naturschätze in erhöhter Weise nutzbar gemacht werden, die Ergiebigkeit der Arbeit durch vervollkommnete technische Hilfsmittel gesteigert, unsere Handelsbilanz durch Beschränkung der Einfuhr von entbehrlichen Gebrauchs- und Luxuswaren verbessert, im stattlichen und privaten Leben an den richtigen Stellen gespart wird, die staatlichen Lasten gerecht verteilt und Monopole eingeführt werden bzw. das Reich an bestimmten Betrieben beteiligt wird. Anhand einer Tabelle, die den Besuchern überreicht wurde, wurde die gewaltige Steigerung der Spareinlagen sowie der Erzeugung auf den verschiedensten Gebieten geschildert. Die Spareinlagen sind innerhalb von 30 Jahren von 4,8 Milliarden auf 82 Milliarden Mark gestiegen. Die Kaliförderung ist seit 1900 um das Vierfache, die Kohlenförderung seit 1885 um das 3½ fache gestiegen. Von unseren Wasserkräften ist bislang erst der vierte Teil ausgebeutet, und bei entsprechender Ausnutzung können wir u. a. für etwa 400 Millionen Mark Stoffe, die wir bisher vom Auslande beziehen mußten, im eigenen Lande erzeugen. Unsere schiffbaren Binnenwasserstraßen sind heute schon doppelt so lang wie die Englands und Frankreichs. Der Güterverkehr in den deutschen Rheinhäfen ist seit 1880 bis 1912 von 5½ auf 61 Millionen Tonne gestiegen. Der Ernteertrag unserer wichtigsten Körnerfrüchte hat in 30 Jahren um 75 bis 85 v. H. auf das Hektar zugenommen; er übertrifft in einzelnen Sorten den Frankreichs um 75 bis 90 v. H., den Rußlands um 90 bis 230 v. H. Eine gewaltige Steigerung wird noch möglich sein, wenn die städtischen Abwässer in geeigneter Weise verwertet werden. Man hat ein Berieselungsverfahren empfohlen, das über alle urbar zu machenden Gelände gelegt werden soll und das angeblich einen Mehrertrag von 13½ Milliarden ergibt, während die Anlage selbst nur 8 Milliarden kosten soll. 12 Millionen Morgen Oedland können in Deutschland noch urbar gemacht werden, wobei die Insassen der Gefängnisse und Arbeitsscheue wertvolle Dienste leisten könnten. Auch die Erzeugung von Roheisen, Zement und die Elektrizitätsindustrie bieten noch ungeheure Entwicklungsmöglichkeiten, zu deren Verwirklichung das neue Kohlenforschungsinstitut und das geplante Forschungsinstitut für Eisenlegierung beitragen werden. Während des Krieges hat vor allen Dingen die Chemie bedeutsame Fortschritte gemacht. Besonders wichtig wird es sein, daß in Zukunft nicht nur die mechanischen, sondern auch die menschlichen Kräfte möglichst wirtschaftlich verwertet werden, daß die im deutschen Volke schlummernden Gaben und Kräfte unter dem Gesichtswinkel des staatlichen Nutzens besser entfaltet und volkswirtschaftlich verwendet werden. Die staatliche und private Fürsorge darf nicht als kostspieliges Liebeswerk betrachtet werden, das Bewusstsein muß vielmehr durchdringen, daß unser aller Wohl und Wehe im höchsten Grade abhängig ist von der inneren Beschaffenheit und Kraft unseres Volkstums. Der Redner erörterte die verschiedenen Gebiete dieser „Menschenökonomie“ und stellte dabei die Losung „Freie Bahn dem Tüchtigen“ in den Vordergrund. Durch das Aufhören unseres Außenhandels während des Krieges haben wir zwar zunächst eine wirtschaftliche Einbuße erlitten, sie ist aber durch die uns aufgezwungene Sparsamkeit im Verbrauch reichlich wett gemacht worden. Die Landwirtschaft ist durch den Krieg ebenfalls erheblich kaufkräftiger geworden, was später unserem Wirtschaftsleben zugute kommen wird. Vor allem aber ist unser Geld im Land geblieben, und dadurch haben wir eine beträchtliche finanzielle Ueberlegenheit über unsere Gegner erlangt. Auch nach dem Kriege wird die Einfuhr und werden die Vergnügungsreisen ins Ausland zum Nutzen unserer Währung noch beschränkt bleiben müssen, und auch auf vielen anderen Gebieten wird Sparsamkeit in Zukunft zu den wichtigsten vaterländischen Tugenden zählen. Der Redner tritt für die Beibehaltung der Gemeinschaftsküchen ein, weil dadurch eine große Summe von Frauenkraft erspart werden könnte, er hofft auch, daß bei unseren Rüstungsausgaben im Vernehmen mit den übrigen Großmächten eine Ersparnis erzielt werden kann. Nicht gespart werden darf aber an Volksbildung und Erziehung, wissenschaftlicher Forschung und Hebung der Volksgesundheit, die Ausgaben dafür sind werbende Kapitalanlagen. Die direkten Steuern dürfen niemals so hoch geschraubt werden, daß dadurch die für unser Wirtschaftsleben unbedingt nötige Neubildung von Kapitalien unterbunden würde, immerhin wird jeder einen größeren Teil seines Einkommens als bisher an das Vaterland abgeben müssen. Als besonders ertragreiche Steuern wurden die Erbschaftssteuer, die stärkere Besteuerung der Ledigen unter gleichzeitiger Schonung der kinderreichen Familien, die Kohlen- und Kalisteuer, Steuern auf Bier, Tabak und Luxuswaren, sowie möglicherweise eine einmalige, auf mehrere Jahre zu verteilende Vermögenssteuer genannt. Als Monopole oder Beteiligungen des Reiches würden Lebens- und Feuerversicherung, die Kali-, Stickstoff- und Petroleumindustrie in Betracht kommen. Auf jeden Fall aber ist die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit Deutschlands unbegrenzt, sodaß dem Deutschen Reiche kaum eine finanzielle Last aufgebürdet werden kann, der er nicht gewachsen wäre. Die Kriegsanleihen sind daher immer noch als die sicherste Kapitalanlage zu betrachten. Bankdirektor Steinberg sprach zum Schluß die Hoffnung aus, es möge jeder die Zeichnung auf die sechste Kriegsanleihe als ein Mittel ansehen, unsere heldenhaften Truppen mit umso besserer Rüstung zu bewehren und dadurch den deutschen Sieg und den deutschen Frieden umso schneller zu erkämpfen.
   Wie wir hören, wird der Vortrag demnächst als Broschüre im Verlag von Markus und Weber erscheinen.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

         

Fürsorge für die in der Landwirtschaft beschäftigte Schuljugend. Da in der Landwirtschaft gegenwärtig mit allen verfügbaren Kräften gearbeitet werden muß, ist es dringend geboten, jeden unnötigen Arbeitsverlust, selbst einer vorübergehenden Behinderung der Arbeitskräfte, vorzubeugen. Der Landwirt muß daher den jugendlichen Beschäftigten stets von neuem Verhaltensmaßregeln geben und sie eindringlich auf die Gefahren der landwirtschaftlichen Arbeitstätigkeiten und Betriebseinrichtungen hinweisen. Es muß verhindert werden, daß die Arbeit in gefährliche Spielerei ausartet und daß die Kinder in den Gefahrenbereich der Maschinen kommen. Die Unternehmer haben selbstverständlich die vorgeschriebenen Schutzvorrichtungen anzuschaffen und die Geräte und Leitern in gutem, haltbarem Zustand zur Verfügung zu stellen. Unfälle, die im landwirtschaftlichen Betrieb vorkommen, müssen sofort beim Bürgermeisteramt angemeldet werden. Auch muß unverzüglich für ärztliche Behandlung gesorgt werden, damit der Schaden möglichst bald behoben wird, oder doch auf das geringste Maß beschränkt bleibt.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

          

Nachrichten des Lebensmittelamtes der Stadt Bonn.
Kartoffeln.
Auf die Kartoffelkarte werden 3 Pfund Kartoffeln, auf die Zusatzkartoffelkarte für Schwerarbeiter weitere 4 Pfund, als Ersatz für Kartoffeln auf Warenkarte 37 150 Gramm Steckrübenschnitzel (Dörrgemüse) ausgegeben, auf die Warenzusatzkarte für Schwerarbeiter Nr. 11 weitere 150 Gr. Der Preis beträgt für Abt. A 30 Pfg., B 40 Pfg., C 60 Pfg. für 150 Gr. Die Geschäfte, die Trockenrübenschnitzel führen, sind im Anzeigenteil bekanntgegeben.
Einweicharten für Steckrübenschnitzel.
1.Man brüht die gedörrten Steckrüben tags zuvor mit kochendem Wasser, gießt das Wasser ab, läßt sie in frischem Wasser über Nacht stehen und kocht sie darin weich. 2. Man läßt die gedörrten Steckrüben tags zuvor in kochendem Wasser kurz aufwellen, im gleichen Wasser über Nacht stehen und dann darin weichkochen. Beide Arten sind sehr zum empfehlen. Die Hauptsache ist, da die gedörrten Steckrüben zuerst mit kochendem Wasser vorbereitet werden.
Kolonialwaren.
In der Woche vom 18. bis 24. März werden in den städtischen Verkaufsstellen ausgegeben gegen Warenkarte 31 kochfertige Hausmachersuppe ein fünftel Pfund, 32 Haferfabrikate eine fünftel Pfund, 33 Sauerkraut ein halb Pfund, 34 Rübenkraut ein viertel Pfund. Ferner unter Anrechnung auf die Fett- bzw. Fleisch- und Warenkarte 35 Margarine 30 Gr., 36 Speck ein Zehntel Pfund.
Gemüsekonserven
sind beschlagnahmt. In dieser Woche findet bei Groß- und Kleinhändlern im Stadtkreise Bonn eine Aufnahme der Bestände statt. Die Abgabe an die Verbraucher geschieht voraussichtlich in der nächsten Woche auf Warenkarte.
Fleisch.
Ausgegeben wird diese Woche Rind-, Kalb- und Hammelfleisch (Preis 2,80 Mark), Leberwurst 1,50 Mark, Blutwurst 0,50 Mark.
Fleischkarten.
Die Inhaber von Reichsfleischkarten sind verpflichtet, auf der Stammkarte ihren Namen einzutragen. Die Uebertragung der Stammkarte wie der Abschnitte auf Personen, die nicht demselben Haushalt angehören oder in ihm dauernd oder vorübergehend verpflegt werden, ist verboten. Fleischkarten ohne Namensunterschrift sind ungültig. Fleisch und Fleischwaren dürfen auf solche Karten nicht abgegeben werden. Zuwiderhandlungen werden streng bestraft.
Eier.
Auch in der kommenden Woche werden Eier an alle Bezugsberechigte verkauft und zwar für jede Person ein Ei zum Preise von 32 Pfg. Der Verkauf beginnt am Freitag, den 23. ds. Mts. Jede Ansammlung vor den Geschäften ist überflüssig, da genügend Vorräte vorhanden sind.
Milchversorgung.
Die gerechte Milchverteilung wird durch den immer mehr um sich greifenden Unfug der Einstellung von Pensionskühen sehr erschwert. Wohlhabende Leute kaufen, wirklich oder zum Schein, eine Milchkuh, stellen sie beim bisherigen Eigentümer oder an anderer Stelle ein und verabreden außerdem noch, daß die Kuh nach Beendigung der Milchzeit wieder zurückgenommen wird, So glaubt man eine Besserstellung in der Milchversorgung gegenüber der Allgemeinheit herbeizuführen. Gegen dieses Verfahren, das nicht nur sehr bedenklich und in höchstem Grade unsozial, sondern auch verboten ist, wird das Lebensmittelamt ungesäumt und unnachsichtlich vorgehen.  
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Kriegsküchen.
Speisezettel für die Zeit vom 19. bis 25. März. Montag: Hausmachersuppe. Dienstag: Möhren mit Kartoffeln. Mittwoch: Sauerkraut mit Salzfleisch. Donnerstag: Grüne Bohnen mit Schweinbraten. Freitag: Stockfisch mit Kartoffeln, Zwiebeltunke. Samstag: Steckrüben mit Salzfleisch. Sonntag: Pichelsteinerfleisch.
Kocht in der Kochkiste!
Anfertigung der Kisten für Jedermann, täglich von 4 bis 6 Uhr im Volkshaus, 1. Stock, Sandkaule 13.

 

Warnung. In letzter Zeit werden vielfach von Schulkindern von den Plakatsäulen- und Tafeln Anschläge aller Art abgerissen u. a. auch amtliche Bekanntmachungen des Generalkommandos und Gouvernements. Die abgefaßten Täter kamen bisher mit einer Verwarnung davon, für die Folge aber wird die Plakat-Gesellschaft die Betreffenden rücksichtslos strafrechtlich verfolgen lassen. Diese Warnung mögen Eltern und Lehrer den Kindern eindringlich vorhalten.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)