Samstag,10. März 1917

      

Die Gemüseversorgung in Bonn und Köln. Der Vortrag des Beigeordneten Piehl über die Nahrungsmittelversorgung der Stadt Bonn vorigen Samstag im Liberalen Bürgerverein hat den Kölner Lokalanzeiger veranlaßt, wieder einmal, wie schon mehrfach, die Bonner städtische Verwaltung wegen ihrer Haltung in der Gemüsefrage anzugreifen. Herr Beigeordneter Piehl hat nach unserm Bericht gesagt: „Trotzdem wir mitten im besten Gemüseland wohnen und die Gemüseernten ausgezeichnet sind, besteht doch großer Mangel, weil die Gemüsebauern nach den Industrieorten liefern, wo sie höhere Preise erzielen.“ Dazu bemerkt der Kölner Lokalanzeiger: „Wir sind nun der Ansicht, daß die Stadt Bonn alle Veranlassung hätte, hier einmal nach dem Rechten zu sehen und darauf zu drängen, daß die festgesetzten Richtpreise, wie das in Köln geschieht, von den Gemüsebauern eingehalten werden. Um das zu erreichen, bedarf es allerdings einer umfassenden Organisation, wie sie in Köln besteht.“
   Hierzu ist zu bemerken: Die Gemüsefrage beschäftigt die Stadt- und Landkreise Bonn und Köln schon über ein Jahr, eine befriedigende Lösung konnte aber bisher in keinem der vier Kreise erreicht werden. Die Schwierigkeit besteht in erster Linie darin, daß es auf Grund der reichsgesetzlichen Bestimmungen und wegen des Widerstandes der Reichsstellen nicht möglich ist, Ausfuhrverbote zu erlassen, und ferner darin, daß infolge der örtlichen Richtpreise das Gemüse nach Orten, die keine Richtpreise haben, geleitet wird. Erst dann, wenn die Reichsstelle für Gemüse und Obst für das ganze Reichsgebiet einheitliche Richtpreise festsetzt, ist eine Besserung zu erwarten. Die Stadt Köln genießt nun Bonn gegenüber den geradezu ungerechtfertigten Vorzug, daß trotz der reichsgesetzlichen Vorschriften auf Grund einer Vorordnung des Gouverneurs vom 17. April 1916 ein Ausfuhrverbot für die Gemeinden Fischenich, Vochem, Rondorf, Kendenich, Hermülheim, Hürth und Efferen sowie die Stadt Köln das ganze Gemüse erfassen und dabei leicht darauf achten, daß die Richtpreise unbedingt eingehalten werden. Der Stadt Bonn steht ein solches Gemüsegebiet nicht zur Verfügung, ihr Markt ist schon seit Wochen vollständig verödet, nur am städtischen Gemüsestand selbst werden noch einige Gemüsearten verkauft. Wenn trotzdem behauptet wird, die Stadt Bonn halte die festgesetzten Richtpreise nicht ein, sie erhalte darum die sonst nach Köln gegangenen Gemüsemengen und schwelge daher in Gemüse, so ist das eine böswillige Entstellung. Diese Behauptung wirkt auch lächerlich, weil in der Kölner Presse häufig genug über große Gemüsezufuhren nach Köln berichtet wird. So wird vom 6. März, also dem Dienstag dieser Woche, aus Köln berichtet: Dreizehn Jahre besteht die Zentralmarkthalle, aber sie hatte niemals so viel Gemüse aufzuweisen, wie heute. Tausende Zentner waren in der Halle aufgestapelt. Die weitesten Flächen waren mit Kohlrabi belegt, aber auch auf Riesenfeldern breiteten sich Weißkohl, Wirsing und Möhren aus. Der Preis für Wirsing stieg auf 44 Mark der Zentner für Kleinhändler, die im Pfundverkauf 53 Pfg. nehmen dürfen. – In Bonn war am gleichen Tag kein Gemüse auf dem Markte.
   Die Bonner Stadtverwaltung läßt ihre Polizei durchaus darauf achten, daß die Richtpreise eingehalten werden, eine ganze Reihe von Uebertretungen sind schon zur Bestrafung angezeigt worden. Es fehlt also in Bonn nicht an der nötigen Organisation, und wenn in Köln zu wenig Gemüse vorhanden ist, so ist Bonn daran am allerwenigsten schuld. Erst wenn die Gemüsefrage reichsgesetzlich geregelt ist, werden Bonn und auch Köln genügend Gemüse erhalten.

Müllabfuhr und Straßenreinigung. Infolge des starken Schneefalls und des Mangels an Fuhrleuten und Gespannen ist es nicht möglich, die Müllabfuhr in den nächsten Tagen in der bisherigen regelmäßigen Weise durchzuführen. Die Haushaltungen werden daher gebeten, auf diesen Notstand Rücksicht zu nehmen, sich bei der Aufbewahrung ihrer Abfälle etwas einzurichten und vor allem den Fuhrpark nach Möglichkeit zu unterstützen. Es brauchen z. B. Aschenreste, die ganz gut im Ziergarten zum Bestreuen der Wege verwendet werden können, jetzt nicht zur Abfuhr bereit gestellt zu werden, Brikettasche eignet sich auch sehr gut als Düngemittel, wenn sie in geeigneter Weise in den Boden gebracht wird. Die durch den Schneefall entstandenen Verkehrsstörungen wären längst nicht so groß gewesen, wenn sich die Bürger ihrer Straßenreinigungspflicht nicht größtenteils entzogen hätten. Nach der betreffenden Regierungspolizeiverordnung müssen die Hauseigentümer die Straße, und zwar den Schrittweg sowohl wie auch den Fahrdamm bis zur Mitte, nicht nur reinigen, sondern auch von Schnee und Eis befreien. Der Schnee ist neben dem Rinnstein in Haufen zusammenzusetzen. Gerade in der jetzigen Zeit, in der es der Stadt an Arbeitskräften mangelt, ist es vaterländische Pflicht jedes einzelnen, der Allgemeinheit zu dienen und nicht erst zu warten, bis mit scharfen polizeilichen Strafen eingeschritten wird.

Aus einem städtischen Lager an der Wesselstraße sind im August und September des vorigen Jahres etwa 12½ Zentner Seife gestohlen worden. Als Dieb ist der Schneidermeister Neufeind ermittelt worden, der in einer auf dem gleichen Grundstück eingerichteten Schneiderwerkstätte beschäftigt war. Er wurde gestern von der Strafkammer zu zwei Jahren Gefängnis und fünf Jahren Ehrverlust verurteilt. Der Staatsanwalt hatte drei Jahre Zuchthaus beantragt.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

      

Der Bonner Wochenmarkt war gestern auffallend schlecht beschickt. Im ganzen waren etwa zehn Verkäuferinnen, darunter auch einige vom Lande, erschienen. Gemüse, wie Krauskohl, Rosenkohl, Sprutengemüse und Spinat, sowie Rot- und Weißkohl, war nur verschwindend wenig vorhanden. Die Preise, die gestern verlangt und bezahlt wurden, waren durchweg ausnahmsweise hoch. [...] Trotz der hohen Preise war der Verkauf im allgemeinen sehr flott, besonders in Gemüse.
   Auch auf dem Großmarkt auf dem Stiftsplatz waren gestern die Zufuhren auffallend klein. An Gemüse, wie Spinat, Rosenkohl, Krauskohl, Sprutengemüse, Wirsing und Weißkohl, war auch hier nur ganz wenig vorhanden. Die an und für sich schon hohen Preise waren für die meisten Waren noch gestiegen. [...] Die sehr zahlreich anwesenden, hauptsächlich auswärtigen Händler schreckten vor den hohen Preisen nicht zurück und kauften trotzdem die vorhandenen Waren im ganzen flott auf, sodaß der Markt um 8½ Uhr früh schon wieder fast vollständig geräumt war. Viele Händler gingen selbstverständlich leer aus.
   Der städtische Gemüse, Obst- und Fischverkauf auf dem Wochenmarkt konnte sich gestern wieder eines besonders regen Zuspruchs erfreuen, besonders in Gemüse und Fischen. Leider war auch hier an Gemüse nur Rotkohl zu 45 Pfg. und Weißkohl zu 35 Pfg. das Pfund zu haben. Die Zufuhr hierin war gestern verhältnismäßig groß. [...]

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

    

Nachrichten des Lebensmittelamtes der Stadt Bonn. [...]
   Fleisch.
An die Metzger wird in dieser Woche Rind-, Kalb- und Hammelfleisch abgegeben, das zu 2,80 M. das Pfund am Samstag verkauft wird, ebenso wie Leberwurst zu 1,50 Mk. und Blutwurst zu 0,50 M. das Pfund.
   Am Dienstag und Mittwoch den 13. und 14. März wird auf dem städtischen Lagerplatz in der Maxstraße durch die freie Bonner Fleischer-Innung gesalzenes ausländisches Schweinefleisch zum Preise von 6,50 Mk. das Pfund vormittags von 8 – 12 Uhr und nachmittags von 3 – 6 Uhr verkauft. Auf jede Warenkarte Nr. 22 werden 200 Gramm abgegeben, und zwar ohne Anrechnung auf die Fleischkarten. [...]
   Kartoffeln.
An jeden Bezugsberechtigten werden in der kommenden Woche auf die Kartoffelkarte 3 Pfund Kartoffeln ausgegeben. Schwerarbeiter erhalten auf die Zusatzkartoffelkarte weitere 4 Pfund Kartoffeln. Als Ersatz für Kartoffeln werden auf die Warenkarten Nr. 29 und 30 je 3 Pfund frische Steckrüben ausgegeben. [...]
   Zucker.
Auf Warenkarte Nr. 27 wird in der kommenden Woche ¼ Pfund Kunsthonig zum Preise von 0,12 Mark das Viertelpfund verkauft. Marmelade ist leider noch immer nicht eingetroffen. Es steht jedoch zu erwarten, daß in der nächsten Woche wieder eine Zuteilung erfolgen kann.
   Eier.
Eier werden in der nächsten Woche voraussichtlich an alle Bezugsberechtigten abgegeben. Der Beginn des Verkaufs wird noch bekannt gemacht.
   Milchversorgung.
Am 1. März d. J. wurden für 22.300 Einzelpersonen, 11.300 versorgungsberechtigte und 11.000 vorzugsberechtigte, Milchkarten ausgegeben. Außerdem wurden für die Insassen der hiesigen Krankenanstalten und Lazarette Bezugsscheine über 2000 Liter Vollmilch ausgestellt. Die für die Versorgungsberechtigten erforderliche Milchmenge beträgt 8125 Liter, die z. Zt. täglich verfügbare Gesamtmilchmenge rund 9000 Liter, sodaß augenblicklich an die 11.000 Vorzugsberechtigten nur 875 Liter Milch abgegeben werden können.
   Bekleidungsamt. [...] Auf die Annahmestelle für getragene Kleider, Wäsche und Schuhwaren an der Stockenstraße Nr. 3 und ihre große Bedeutung im vaterländischen Sinne wird erneut hingewiesen. Da die Verkaufsstelle in allernächster Zeit eröffnet wird, ist es dringend notwendig, baldigst alle entbehrlichen Gegenstände genannter Art abzuliefern, damit möglichst weitgehend den gestellten Anforderungen beim Verkauf entsprochen werden kann. [...]

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)

   Mehlem: In der Nacht zum Freitag haben Diebe in Mehlem einem armen Manne die einzige Ziege, welche er hatte, gestohlen, geschlachtet und mitgenommen. Vorige Woche wurden einer armen Frau, deren Mann den Heldentod gefunden hat, 1100 Mark gestohlen. Bei einem anderen Manne haben Diebe 17 Hühner, Milch und Eier entwendet.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Von Nah und Fern“)