Sonntag, 4. März 1917

     

Volksbelehrungsabend. Die Stadt veranstaltet eine Reihe von Volksbelehrungsabenden. Der erste Abend findet Donnerstag, 8. März im Bonner Stadttheater statt. Lehrer O. Schultheis von der Hindenburgschule wird einen Lichtbildervortrag über „Deutschlands Wirtschaftskräfte“ halten. Da der Redner ein von beweiskräftigen Ziffern gestütztes lebendiges Bild der riesigen Kräfte, die Deutschlands Volkswirtschaft innewohnen, entrollen wird, dürfte der Vortrag für die weitesten Kreise von größtem Interesse sein. Der Bonner Männergesangverein hat es unter Mitwirkung der Kapelle des ersten Ersatz-Bataillons Infanterie-Regiments 160 in dankenswerter Weise übernommen, an diesem Abend durch Liedervorträge für die musikalische Unterhaltung zu sorgen.

Städtische Kräfte für die Landwirtschaft. In einem Aufruf „An unsere Frauen und Mädchen vom Lande“ fordert das Kriegswirtschaftsamt für die Rheinprovinz Frauen und Mädchen, die vom Lande stammen oder Freude an der Landwirtschaft haben und zurzeit nicht mit wichtiger Kriegsarbeit beschäftigt sind, auf, sich bereit zu halten, sofort und freudig aufs Land zu gehen und ihre Arbeitskraft in den Dienst der guten und jetzt wichtigsten Sache, der Volksernährung, zu stellen. Meldungen sind an den örtlichen Arbeitsnachweis zu richten. In einem zweiten Aufruf, „An unsere Landwirte“, den die rheinische Landwirtschaftskammer in Bonn und das Kriegswirtschaftsamt für die Rheinprovinz in Koblenz gemeinsam unterzeichnet haben, werden die Landwirte aufgefordert, in diesem Jahre die vielen in den Städten noch brachliegenden Arbeitskräfte, vor allem der vom Lande stammenden Frauen und Mädchen, der Landwirtschaft nutzbar zu machen. Saget nicht, daß solche Arbeiter nichts wert seien, daß Leute aus der Stadt eher eine Last wie Hilfe seien. Viele Landwirte haben die besten Erfahrungen mit diesen Arbeitskräften aus der Stadt gemacht. Leider lassen sich noch manche Landwirte aus Scheu vor dem Ungewohnten, aus Bequemlichkeit, aus dem Gedanken heraus, daß ein Halten von fremden Arbeitskräften den Betrieb zu sehr verteuere oder sogar unrentabel gestalte, nicht bewegen, solche Arbeitskräfte in Anspruch zu nehmen. Jetzt, da es sich um Sein und Nichtsein handelt, in einer Zeit, in der von Allen das Höchste geleistet werden muß, fallen solche Gründe fort. Kein Acker darf unbestellt, keine landwirtschaftliche Arbeit unausgeführt bleiben. Da unsere Arbeitskraft nicht ausreicht, müssen wir die städtischen Kräfte, sonst kommen keine mehr in Frage, zu Hilfe nehmen. Bei etwas Geduld und sachgemäßer Anweisung werden diese, dem Lande nicht fremden Kräfte bald wertvolle Arbeit leisten.“

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

       

Die Kriegsküche in Poppelsdorf weist eine Teilnehmerzahl von 1500 Personen auf. Die weibliche Leitung gibt sich die erdenklichste Mühe. Ueberall freundliche und hübsche Gesichter, die uns das Essen verabreichen. Und doch hatte die Küche in dieser Woche einen Unglückstag – natürlich den Freitag. Ich trete meinen gewohnten Gang an. Oh Schreck! Auf der Straße tummelnde Kinder mit kleinen Esskörbchen, die man so munter in der Luft herumschwang wie den längst verbrannten Kirmeßstrauß von Poppelsdorf. Eine besorgte Mutter, etwas erregt, daß man in dieser Zeit so mit dem Essen umgeht, zupfte ihr liebes Töchterchen an beiden Ohren, weil es nicht mit dem Essen nach Hause komme, sondern den guten Vater warten lasse mit seinem Bärenhunger. Erstaunt blickte die Mutter in das kleine Körbchen: “Du hast noch kein Essen?“ Schon sollte das Strafgericht von neuem beginnen, als die Kleine unter Tränen herausstotterte: „De Erdäppel woren net gar on die Kolle han net su richtig gebrannt! De mieste Lück han Esse gekräch, evve üppe hondet han et noch ze kriehe“. „Dat kütt schon üvveall emol vür; loß me alt stell de Muhl hale,“ sagte die verständige Mutter.
   Neben mir sitzt ein etwas älterer Mann, der anscheinend über das dünne Essen, wovon man so oft hört, sich mit seiner Frau unterhält. „Dat dönne Züg eß nix, dat hält net widde. Gersch met Promme es jo ding Lieblingsesse, evve für ene Mann, der arbede moß, eß dat nix. Me könnt drei Kompe voll bruche on dann mehnt me noch, ma hätt eine Perpentickel em Mage, der hin on her waggelt.“ „Jösses, ühr Männer sett doch empfindlich! War dem een sing Uel eß, dat es däm andere sing Nachtigall!“ Die Frau schien über ihren Mann wütend zu sein, und nur die kleine Redensart: „No Frauche, Du beß doch ming Nachtigall“, versöhnte sie wieder.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

    

Ungeteilter Arbeitstag. Während in der augenblicklich kalten und dunklen Zeit das ganze private und öffentliche Leben auf größtmögliche Beschränkung des Kohlen-, Licht- und Kraftverbrauchs eingestellt wird und selbst die auf starke Lichtwirkung angewiesene Geschäftswelt sich mit der notdürftigsten Beleuchtung abfinden muß, erstrahlen die Arbeitsräume der großen Verwaltungsbehörden, mit wenigen Ausnahmen aus der Friedenszeit her, in den Abendstunden noch immer im Lichte von tausend und aber tausend Flammen. Während der hellen Mittagsstunden dagegen stehen die Betriebe still und die Arbeitsplätze sind verödet; das große Heer der Beamten und Angestellten aber ist gezwungen, trotz Lederknappheit und unerschwinglicher Stiefelpreise, auf langen Wegen täglich zweimal öfter als nötig, das Pflaster der Städte zu treten. Diese Unwirtschaftlichkeit, Kraftvergeudung und mangelnde Anpassungsfähigkeit in Kriegszeiten wie der gegenwärtigen ist einigermaßen verwunderlich und fordert mit Recht die öffentliche Kritik heraus. Eine grundsätzliche Proklamierung der ungeteilten Arbeitszeit hätte gewiß ihre Bedenken, und es ist verständlich, wenn die stellvertretenden Generalkommandos sich nicht zu diesem Schritt entschließen können. Aber weshalb unterbleibt die Prüfung im einzelnen und die Ausdehnung der ungeteilten Arbeitszeit, soweit es die Verhältnisse gestatten? Tatsache ist, daß bei Tausenden von Dienststellen und Behörden der ungeteilte Dienst jeden Tag einzuführen wäre, ohne daß den öffentlichen Wirtschaftsinteressen im Geringsten Abbruch geschähe. Es würde den Privatbetrieben ebenfalls den Uebergang erleichtern und sie dazu anregen. Es würde aber ferner zahllosen Beamten und Angestellten die Möglichkeit geben, sich auf die Selbstversorgung durch Gartenbau und Kleintierhaltung, die für das kommende Frühjahr als bitter not erkannt ist, einzurichten.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)